Projektbeteiligte:
Klares Ziel des Projekts war es von Anfang an pro-aktiv die Drogenkonsumierenden und die Sozialarbeitenden zu unterstützen. Täglich nutzen 350 - 500 Menschen den Drogenkonsumraum und auch die öffentliche gewidmete Fläche davor nutzen. Insbesondere der Platz vor dem Konsumraum ist jedoch aktiv nicht-gestaltet. Nutzungsmöglichkeiten wurden sukzessive reduziert, Sitzobjekte entfernt, Beleuchtung gab es kaum. Viele der großteils Wohnungslosen Besucher*innen sitzen bei jedem Wetter ohne Unterstand auf dem blanken Boden häufig auf nasser Erde oder Asphalt. Unsere Frage lautet: Wie könnte der Platz für das Klientel gestaltet werden? Und wie können wir gemeinsam einen Vorschlag entwickeln der politisch platziert werden kann und eine Chance auf Umsetzung hat? Nach der erfolgreichen Umsetzung des Umbaus im vergangenen Sommer kann nun einerseits Reflexion und Ko-Evaluation beginnen und noch viel wichtiger: die nächste Stufe um Prozess entworfen werden.
2. Kontext und Fragestellung:
Der Konsumraum wurde seit seiner Gründung in den späten 1980er Jahren kontinuierlich vergrößert und vor allem im Zuge akzeptierender Drogensozialarbeit der frühen 2000er Jahre mit Bezug auf das Konzept der Harm-Reduction - also Schadensminimierung durch Spritzentausch, medizinisch überwachten Konsum und Sozialarbeit die Suchtthemen akzeptiert um in Kontakt zu kommen. Und nach dem Vertrauensaufbau durch Akzeptanz weiter in Austausch zu sein und den Ausstieg aus der Sucht und der sozialen Exklusion zu finden. Nach anfänglichen politischen Reibungen fand das Konzept der akzeptierenden Drogensozialarbeit immer breitere Unterstützung. Und so ist auch heute die Infrastruktur DrobInn zum größten Teil der Gesundheitsbehörde unterstellt, Senatsfinanziert und ein integraler Bestandteil sowohl sozialarbeiterischer Praxis in Hamburg Mitte und ganz Hamburg als auch ordnungspolitisch von vielen Akteuren aus verschiedensten Gründen gewünscht.
Wieso also ist der öffentliche Raum in dem so viele Menschen täglich Zeit verbringen so aktiv ungestaltet? Und was fehlt den Menschen vor Ort? Welches Raumwissen und welche Erfahrungen haben die Leitung des DrobInn, des Trägervereins Jugendhilfe e.V. und vor allem die konsumierenden Menschen selbst? Wie kann Design ihre Punkte sammeln, bündeln und sozialraumplanerisch positionierten? In diesem Spannungsfeld der Interessen versuchte Ich - und im Laufe der Zeit viele Mitstreiter*innen Gestaltungsvorschläge zu machen und partizipative Planungsmodelle zu entwerfen, zu testen, Scheitern zu sehen und immer wieder neue Ansatzpunkte zu suchen um in diesem Kontext zu entwerfen.
Projektschritte:
Im Herbst 2018 wurde nach der Kontaktaufnahme durch das Museum für Kunst und Gewerbe und das Architekturkollektiv ConstructLab ein erstes Treffen mit der Leitung des DrobInn abgehalten. Die Frage war: Wie kann angesichts der im MKG geplanten Social Design Ausstellung eine Kooperation über den Ausstellungszeitraum aussehen. Ich war als Informationsdesigner für das Mapping und Ko-Kreation eingeladen mich zu beteiligen.
① Stakeholder Befragungen und Mappings
Nach erstem kennenlernen mit zwischen uns als Gestalter*innen, dem Museum und dem DrobInn führten wir Stakeholder Interviews durch. Wir sprachen zunächst niedrigschwellig mit Passant*innen, Menschen am Zentralen Busbahnhof, Pendler*innen auf Fahrrädern und zu Fuß, Leiter*innen der umgebenden Infrastrukturen wie den Bücherhallen, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und Sozialarbeitenden aus anderen Einrichtungen in der Nähe. Die Vielfalt an Perspektiven machte uns klar: Der Vorplatz des DrobInn steht für einen grundsätzlichen Konflikt im Umgang mit den Konsumierenden illegalisierter Drogen. Und Menschen die Wohnungslos sind, auf der Straße leben und/oder durch Illegalisierung ihres Aufenthalts in Europa mehrschichtig diskriminiert werden und als Teilfolge von Sucht betroffen sind. Die jeweiligen Orte sind trotz räumlicher Nähe unter einigen Gesichtspunkten Inseln unzusammenhängender Realitäten. Dies abzubilden verdeutlicht auch eine Leerstelle in der Planung öffentlicher Räume.
Ich entwarf eine Serie von Karten und Mappings die die Akteure und ihre verschiedenen Realitäten abbilden sollten. Zudem wurden die baulichen Begebenheiten kartographiert - insbesondere Gitter, Zäune, Trennungen und Hostile Architecture Interventionen die Aufenthalt verhindern sollten. Um zu Zeigen: Der Vorplatz ist ambivalent, einerseits Unterstützungsstruktur und Aufenthaltsort, andererseits Ergebnis einer Exklusionstendenz im Stadtkern der ein spezifisches Klientel deutlich ausschließt und an den Rand drängt ohne Angebote zu schaffen die den Aufenthalt einbetten und menschlicher gestalten.
Im Stadtteil Archiv St. Georg konnten wir zudem Zeitungsartikel aus mehr als 35 Jahren zur Entwicklung der Drogenthematik in St. Georg finden die ebenfalls die enorme Komplexität der Entwicklung des Standorts und der hiermit verbundenen politischen Reibungen abbilden.Die Mappings, Befragungen, Photographien und Zeitungsartikel aus dem ersten Projektschritt wurden zwischen Februar 2019 und Oktober 2019 im Museum für Kunst und Gewerbe einer breiten Öffentlichkeit präsentiert.
② Konzeption des Vorplatzes mit der DrobInn Leitung und Mitarbeitenden
Das langjährige Wissen über sowohl die Lebenssituation der Drogenkonsumierenden als auch den politischen Bedingungen in denen das DrobInn entstand und aktuell steht wurde Gegenstand eines konkreten Entwurfsprozesses: Wie kann der Vorplatz akzeptierender gestaltet werden? Was fehlt? Und wie könnten wir fehlende Funktionen ergänzen und politische Dynamiken bei einer Umsetzung mit Eindenken?
Wir sammelten in mehreren Design Thinking Formaten auf Post-Its wichtige Aspekte. Ordnen diese, diskutierten Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Perspektiven. Zeichneten erste Skizzen auf Papierbögen und diskutierten Vor- und Nachteile bestimmter Ideen. Außerdem hospitierte ich eine Woche lang im DrobInn um den Betriebsalltag kennenzulernen. Tauschte Spritzen, teilte Spritzbesteck aus, gab Tee aus und wischte Tische. Lies mir von den Krankenpflegenden die häufigsten Symptome erklären und zeigen.
③ Weiterentwicklung der Recherchen durch Workshops mit Studierenden
Im Rahmen der Ausstellung fanden Workshops mit Studierenden der Hochschule für Bildende Künste (HFBK), der Hafen City Universität (HCU) und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg statt in deren Rahmen Studierende auf Basis unserer Mappings und Recherchen eigene Interventionen und Konzeptionen entwickelten. Diese fanden dann wiederum Eingang in die sich erweiternde Ausstellung. Die Studierenden entwarfen weiterführende Kartographie, Sammelten Spuren und Hinterlassenschaften, Reagierten auf Hostile Architectures durch räumliche Interventionen die das Sitzen wieder ermöglichten, Erkundeten in Derivés Ecken und Hinterhöfe und setzen ein eintätiges Festival mit temporären Möbeln im Park vor dem Museum um.
④ Konzeption des Vorplatzes mit Drogenkonsumierenden
Auf die Workshops mit den Mitarbeitenden folgte eine mehrtägigen Workshop Serie im Café Bereich des DrobInns. Hier wurden die Konsumierenden befragt und ihre Ideen, Punkte und Kernaspekte auf einer Karte gesammelt und gebündelt und durch Icons verhandelbar gemacht. Viele der Besuchenden waren in der Lage klar und deutlich zu beschreiben was fehlt, konnten sich aktiv einbringen und auf den von uns angebotenen Medien wie Plänen, Karten und Modellen rasch und deutlich wichtige Punkte benennen und die Kernaspekte der Sozialarbeitenden teil bestätigen und teils verschwärfen und redefinieren. Manche Stimmen lehnten eine Gestaltung sogar grundsätzlich ab. Der Ort solle düster, unfertig und hart bleiben damit sich niemand hier hin verirre. Andere, vor allem weibliche Nutzer*innen, beschrieben die Orte an denen sie sich unsicher fühlten und auch nie hingehen. Wo es stinkt. Wo Übergriffe stattfinden. Wo mangelndes Licht zu streit führt weil Drogen verschüttet werden. Auch Abgrenzungen nach Nationalitäten wurden beschrieben. Und ein internes “Die und Wir” welches auch das Klientel spaltet wurde für uns erkennbar.
Im Abgleich der Punkte die über Gestaltung verhandelbar denkbar schienen zeigten sich einige Schnittmengen. Die gemeinsamen zu verhandelnden Punkte waren: Sitzen in relativ flexiblen Kleingruppen, Unterstand der aber nicht ganz dicht sein darf, Wasser, Licht welches diffus und nicht zu gerichtet und entblößend sein sollte und Abfallvermeidung wurden nach mehreren Feedbackschleifen und Ko-Kreations-Treffen als Kernaspekten die forciert werden sollten identifiziert.
⑤ Austellen im Museum für Kunst und Gewerbe
Die Ergebnisse aus den Mappings, Workshops und Interventionen wurden um Museum für Kunst und Gewerbe im Rahmen der Social Design Ausstellung präsentiert
⑥ Entscheidungsträger*innen einbeziehen und vermitteln
Es entstand ein Vorentwurf der alle Themen in Objekten und räumlichen Setzungen auf dem Vorplatz verortete. Dieser Vorentwurf wurde dann im Mai 2019 mit dem Leiter des zuständigen Bezirksamts Hamburg Mitte Falko Drossmann, Verantwortlichen bei Hamburg Wasser, der Stadtreinigung sowie des zuständigen Polizeikommissariats gemeinsam im renommierten Spiegelsaal des MKG vorgestellt und zur Diskussion gestellt. Konsens schien zu sein, dass hier etwas passieren müsse und das DrobInn ein wichtiger und gewollter Baustein Hamburger Sozialarbeit sei. Wer jedoch zuständig für eine Weiterführung des Vorhabens war blieb unklar. Die Leitung des DrobInn war aber motiviert den Entwurf zur Umsetzung zu bringen. Und setze sich in verschiedenen Foren für eine Ausführungsplanung ein. Um dies zu ermöglichen übersetzen wir die gemeinsam erarbeiteten Punkte in mehrere Präsentationen und Konzeptpapiere welche von den DrobInn Mitarbeitenden zur Lobbyarbeit und der politischen Überzeugungsarbeit in Behörden, Ämtern und Senat eingesetzt werden konnten.
⑦ Konzeption von Szenarien und Kommunikationsmedien
Auf Basis der Workshops, Gespräche und Annäherungen entstanden Gestalterische Szenarien und räumliche Setzungen welche den verschiendenen Akteuren die am Prozess beteiligt waren verdeutlichen sollten: Hier ist Gestaltung möglich. Die Kernaspekte um Sitzen, Licht, Unterstand und Wasser können durch aktive Gestaltung verhandelt werden.
Unsere Zuarbeit für die Foren Arbeit der Sozialarbeitenden und das entwickeln und bereitstellen von Präsentationen und Broschüren der gemeinsam erarbeiteten Entwürfe wurde immer deutlicher zum spezifischen Mehrwert der Kooperation. DinA4 Broschüren und Powerpoint Formate lassen sich niedrigschwellig teilen und an Entscheidungsträger*innen weiter geben.
⑧ Ausführungsplanung durch verschiedene Akteure
Nach längerer Stille um das Vorhaben (vor allem auf die COVID 19 Pandemie aber auch durch Veränderungen in der Verwaltungsstruktur und der Behördenfinanzierung) gingen wir davon aus, dass unser Vorhaben zwar Öffentlichkeit produziert hatte und Diskurs entstanden war. Jedoch nach wie vor keine Umgestaltung initiiert werden würde. Ende des Jahres 2021 wurde Ich von Journalist*innen der Zeit angerufen und erneut zum Projekt interviewt. Zu dieser Zeit schien erneut Bewegung in den Prozess zu kommen. Im Sommer 2022 stand dann fest: Es gab eine Ausführungsplanung die Behördenseitig unseren Entwurf als Basis genommen hatte und - fatalerweise - ohne Einbezug der Leitung des DrobInn und ebensowenig der Besuchenden des DrobInn entstanden war.
Wir arbeiteten diesen Bruch in unserem langjährigen Ko-Kreationsprozess in zwei Diskussions- und Workshopformaten im Freiraum des MKG auf. Unserer Meinung nach wurden einige wichtige Aspekte aus unserer Ko-Kreationsprozessen nicht übernommen obwohl sich formal und strukturell eindeutig auf diese bezogen wurde. Auch wurde kein Ausstausch gesucht sondern aus unserer Wahrnehmung eher versucht “das Nötigste” umzusetzen. Einerseits ein Schritt in die richtige Richtung und ein enormer Erfolg. Andererseits aber im Prinzip nur ein weiterer Zwischenstand und sicherlich nicht genug Partizipation von Seiten der Behörden.
⑨ Weitere Befragungen im Umfeld und Skizzen einer Infrastruktur
Im Mai 2023 führten wir an drei Terminen weitere Interventionen, Modellsetzungen und Passant*innenbefragungen zu Bedürfnissen im erweiterten Bereich um das DrobInn durch. Wir suchten das Gespräch und boten unsere Perspektive an, bauten Hocker und Tische. Rückten mitgebrachte Module gemeinsam mit Besuchenden des DrobInn um Gruppensitze zu testen und 1:1 Modelle zu bewegen. Auf Tischgroßen Zeichenflächen wurden unsere bisherigen Punkte erklärt und weitere Ideen, Kritik und wichtige “nächste Schritte” gebündelt. Als Hinweis auf die verpassten Chancen der Ausführungsplanung.
Zudem schlugen wir einen neuen Ort des Austauschs vor: In einem kleinen, schemenhaften “Kiosk” verteilte die Leiterin der Einrichtung Wasser und Limo, plauderte mit zuständigen Beamten der Polizei. Dies sollte der Real-Test für eine Wasserausgabe-Stelle sein welche durch Sozialarbeitende betreut wird und nun die Ansprachearbeit des DrobInn aus dem Gebäude heraus auf den Vorplatz verlegt. Und so auch den Ansatz der Niedrigschwelligen Anspracharbeit grundsätzlich in den öffentlichen Raum zu erweitern vorschlägt.
⑩ Umsetzung Vorplatz Neugestaltung
Im Sommer 2023 wurde der Vorplatz umgebaut. Einige Dächer sowie Sitzkanten wurden bereitgestellt. Zudem wurde die Beleuchtung erweitert und eine Toilette installiert welche auch einen Trinkwasser Zugang bereitstellt.
⑪ Reflexion des Prozess` und weiterführende Gestaltung des August Bebel Parks
Der Prozess geht weiter und ist aktuell in weiterführender Bearbeitung. Infos folgen
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